Die Begründungen der Jury

Lobende Erwähnung 2018

Wir können nicht mehr als vier Preise vergeben.

Wir möchten aber vor der Bekanntgabe der Preisträger einen Film erwähnen, der uns auf der emotionalen und formalen Ebene besonders aufgefallen ist, und der ein bißchen aus den Kathegorien herausfällt:

„ A Year Along the Geostationary Orbit”
Aus einem Pool von Daten und algorithmischen Verfahren hat Felix Dierich  einen Film entstehen lassen, und zwar auf der Bild- und der Tonebene, der sowohl wunderschöne abstrakt anmutende Bildsequenzen betrachten lässt, wie auch eine fast anrührende Nähe zum Planeten Erde und seinen Rhythmen herstellt, aus der geostationären Umlaufbahn in 35786 Kilometern Entfernung.

Manchmal muss man eben einen Schritt zurücktreten, um etwas anders, neu und deutlicher wahrnehmen zu können:
Eine „LOBENDE ERWÄHNUNG“ geht an Felix Dierich für seinen Film  

„ A Year Along the Geostationary Orbit”

 

 

 

Jurypreis in der Kategorie Fiktion 2018:

In der Absurdität eines Wutseminars begegnen wir überzeichneten Figuren – Kriminellen und Vorbestraften. Hier sollen sie lernen, ihre Wut zu beherrschen – und zu unterdrücken. Unter ihnen eine Frau, die es rasend macht, von Männern deklassiert zu werden.
Wir haben gelernt: Wütende Frauen sind nicht sexy. Doch – dieser Film lehrt uns das Gegenteil.

Denn gerade in der Wut liegt Emmas Kraft. Und als diese aus ihr herausbricht, ist es ein – für die Figuren im Film sowie für die Zuschauer*innen –  befreiender Sturm: kraftvoll, beeindruckend und sexy. Und das ihr eigene Mittel, ihre Welt zu beherrschen.
Mit Komik und Humor, gelingt es der Filmemacherin, Rollenklischees zu brechen, umzudenken und neu zu sortieren – und uns dabei nicht nur ein befreiendes Lachen zu entreißen, sondern eine tiefe Freude zu machen.

Der Preis der Flensburger Kurzfilmtage 2018 in der Kategorie Fiktion geht an den Film Emma und die Wut von Elisa Mishto.

Herzlichen Glückwunsch.

 

Jurypreis in der Kategorie Non-Fiktion 2018

Ein Film, bestehend aus zunächst scheinbar zusammenhanglosen dokumentarischen Fragmenten, nimmt die Zuschauer und Zuschauerinnen mit auf eine filmische Reise, deren verbindendes Element das sensible biographische Porträt einer Künstlerin bildet.
Erst im Verlauf des Filmes fließen diese Fragmente –  biografische Elemente, städtebauliche Informationen und historisch-politische Einschübe –  zusammen und verdichten sich zu einem Ganzen.

In fast sterilen und artifiziellen Bildern begleitet der Film einen im Kosovo-Konflikt instrumentalisierten Kinderstar bis in die Gegenwart.
In der überdeutlich dokumentierten Selbstinszenierung der Sängerin und ihren lebenslang einstudierten Kamera-Posen wird sie selbst zur Kunstfigur – und zum Spiegelbild einer jungen Nation auf der Suche nach einer Identität.

Auf eindrucksvolle Weise vereint der Dokumentarfilm die Architektur Belgrads mit der Biographie der serbischen Pop-Sängerin Doris Bizetic. Hinter ihrer Maske mit den aufgeschminkten Tränen finden wir eine Verletzlichkeit und Brüchigkeit, die durch die fragmentarische Erzählweise deutlich wird.

Der Preis der Flensburger Kurzfilmtage 2018 in der Kategorie Non-Fiktion geht an den Film Confluence von Stefan Ramirez Pérez.

Herzlichen Glückwunsch!

 

Jurypreis in der Kategorie Animation

Wie lebt es sich, wenn man keine Gesicher erkennen kann? Weder Schulfreunde noch Lehrer identifizieren kann und in einem verständnislosen Umfeld lebt? In der dokumentarischen Animation berichtet Carlotta sachlich von den Leiden ihrer Kindheit.

Der Neurowissenschaftler Valentin Riedl und der Filmemacher  Frédéric Schuld schaffen orientierungslose und einsame Räume, in denen Gesichter nicht existieren und die Protagonistin selbst gesichtslos bleibt. In den animierten Bildern werden Mitschüler zu Steinblöcken, die vor ihr zurückweichen, Lehrer zur Summe auswendig gelernter Merkmale ihres Aussehens und die Welt zu einem kaum zu durchdringenden Chaos.

Dass dabei mitleidheischende Verzweiflung ausbleibt, mag daran liegen, dass Carlotta für sich einen Weg gefunden hat, damit zu leben. Durch das Abtasten des eigenen Gesichtes schafft sie sich ein Bild von sich. Wenn am Ende des Filmes vor unseren Augen aus ihren Zeichnungen allmählich ihr Antlitz entsteht, sind wir ganz bei Carlotta.

Der Preis der Flensburger Kurzfilmtage 2018 in der

Kategorie  Animation geht an: Carlotta’s Face von Valentin Riedl undFrédéric Schuld

 

Jurypreis in der Kategorie Wagnis– gestiftet von der Firma Comline

Eine Frau geht und mein Blick folgt ihr – eins ist von Anfang an klar und schafft Komplizenschaft:  Umkehren geht nicht. Und dann werde ich hineingezogen in eine Welt, die aus Schritten entsteht, durchmessen werden muss, die sich unter mir auftut und über mir auftürmt. 
In „Divine way gelingt Ilaria di Carlo die Metapher des unendlich scheinenden Abstiegs-  und schließlichen Aufsteigens -  aus dem dantes‘chen Höllenkreis.
In einem Spannungsfeld zwischen formaler Strenge von Architekturbetrachtung,-  von kühlen, kühnen Sichtachsen und starr austarierten Kamerapositionen einerseits -  und der immer zerbrechlicher werdenden Protagonistin andererseits. Von der zeugen zuweilen nur noch ein paar Finger auf einem Handlauf im Bild – und der Klang  ihrer Schritte, der vom Zögern, Innehalten, Weitergehen, Fürchten und vom Staunen erzählt - vom Staunen darüber, wie tief und endlos es hinuntergehen kann, wie man sogar auf eine wie auch immer geartete Hölle neugierig werden kann.

Und der Betrachter staunt - mitgefangen in dieser Welt - über eine unglaubliche Vielfalt an Räumen, die die Filmemacherin gesucht, gefunden, ausgemessen und durchschritten hat.

Der Film überzeugte uns auf den Ebenen der Recherche, der Konzeption, der künstlerischen und handwerklichen Umsetzung,  aber auch durch die Geschichte, die er in dieser Kombination erzählt.

Herzlichen Glückwunsch zum Preis in der Kategorie Wagnis der Flensburger Kurzfilmtage 2018

für „The Divine Way“ von Ilaria Di Carlo.

Jury der 18. Flensburger Kurzfilmtage: Urte Alfs, Christoff Bleidt, Susanne Grigull